Corona-Tagebuch: Keine Fanpost


Die Tage: große Niedergeschlagenheit, weil die SuS einfach so null Interesse zeigen an dem, was ich da online zusammenstelle, an den Videos, Texten, Fragestellungen. Klar, wenn ich Fan einer Band bin, will ich auch nicht, dass der Frontmann mich plötzlich auffordert, die Hausaufgaben vorzulesen. ... Oder vielleicht doch, hehe.


Vielleicht ist das, was ich da anbiete auch einfach furchtbar öde. Ich weiß es nicht. Ich unterrichte keine privilegierten Fächer, ich unterrichte Laberfächer. Mein einziges Privileg ist die Hoheit über die Rechtschreibung; in 20 Semestern den Tapferkeitsorden für Duden-Benutzung verdient, jetzt darf ich den Rotstift führen. Bitter.


In der Krise ganz hart zurückgeworfen darauf, wie wenig ich kann, wie wenig ich zu geben habe. Interessanterweise korrespondiert diese Leere mit einer großen, häuslichen Fülle, die das Home-office mir gibt, mit dem Glück der freien Zeit-, Kommunikations- und Arbeitseinteilung, dem Raum für die Lektüre, den freien Abenden. In gewisser Weise selten so häuslich, so warm und satt gefühlt wie jetzt, zufrieden auch. Was also habe ich anzubieten, beizubringen? Wie man ein Buch liest? Wie man so rumkritzelt? Wie man dumm daherschwätzt?

"Wie man das und dass unterscheidet?"

Bitter.


"Beibringen" Auch so ein Knecht-Wort.


Autorität: Das ist halt auch noch mal ein ganz eigenes Thema, wie "die Kollegen" (dK) damit umgehen, keine Kontrolle über den Schülerkörper mehr zu haben. Wie kreativ man da werden kann, wenn plötzlich Leistung aus der Ferne bemessen werden soll! So absurd. Semesterlanges Herumgeeier wegen Validität der Notenerhebung usw. usf., und jetzt, wo jede Gerechtigkeit unmöglich ist, werden die schönen Phrasen rausgeworfen und es müssen unbedingt "Noten gemacht" werden. Himmel! Wer die Legeleistung der Hühner abschätzen will, tue das an einem durchschnittlichen Tag und nicht dann, wenn der Stall brennt.


"Also von einem Jugendlichen kann ich jawohl verlangen, dass er sich jeden Tag auf der Moodle-Seite einklickt, auf seinen Kurs tippt, dort zur neuen Lektion herunterscrollt, ausgehend von einem vagen Text/Bild/Video in seiner einsamen Butze Motivation entwickelt, auf den Aufgaben-Button zu drücken, um auf ein Word-Dokument weitergeleitet zu werden, das er öffnet, zwischenspeichert, besser ausdruckt, ausfüllt, abfotografiert und dann hier, da, siehste, da rechts, hochlädt, da, Sekunde, muss mich erst neu einloggen."

(In der Schule dagegen: "Ich warte mal besser, bis Sie die zwei Worte in Ihr Heft übertragen haben, Klaus-Werner.")


Nein, aber nochmal ernsthaft und ohne Selbstkasteiung. Da gibt es einen Rollenkonflikt, ganz klar. Ich bin nicht Teil einer Rockband, SuS sind keine Fans, und es klatscht auch niemand, wenn ich in der Schule den Faust unterrichte oder Bentham lese. Da gebe ich mir auch Mühe, nehme aber die Zurückweisung, das Schweigen, die Stille der Wasser viel weniger persönlich.


Hier dagegen: Mehr als zwanzig Arbeitsstunden in drei fucking Stunden Lehrvideos versenkt, das Ganze ewig lang auf Moodle hochgeladen, jedes einzelne Element auf der Kursseite im perfektionistischen Eifer ein dutzend Mal umgestellt, Texte zurechtredigiert.


"Ja, nö, wir waren jetzt noch nicht auf der Seite, weil wir erstmal Mathe und Schwerpunkt lernen wollten. Carlos hat auch seine Login-Daten gar nicht mehr. Oder? Ist doch so, HEY CARLOS! DU WOLLTEST DOCH HERRN NUSS NOCH SAGEN, DASS DU EINEN LOGIN BRAUCHST! Nee, weiß nicht, wir wollten Deutsch jetzt erst am Wochenende anfangen, weil uns Frau Dengler in Mathe soviel aufgegeben hat."

Auftritt Carlos. 

"Achso, ja, also ich brauche einen neuen Login. Und ich wollte Sie noch mal wegen der 50 Euro wegen der Klassenfahrt fragen, Sie sagten, sie würden die nach den Osterferien mitbringen ... "


Danke auch.

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